International Videomapping Workshop 2016/17 Wrapup

International Videomapping Workshop 2016/17 Wrapup

Ahoi 3D-printing fellows,

dieses Mal gibt es News und Facts aus einem verwandten Bereich: Projektionsmapping, auch Videomapping genannt!

Das 3D Druckzentrum Ruhr hat in Kooperation mit unseren Freunden von Rencontres Audiovisuelles aus Lille einen internationalen Videomapping Workshop in unserem Labor und in Lille auf der Fête de l’anim durchgeführt. Im Oktober 2016 gab es 10 Tage Powerworkshop mit dem international bekannten Videomapping Guru Tamas Zador von der Künstlergruppe Glowing Bulbs aus Budapest und Soundengineer Aleksi Aubry-Carlson im 3D Druckzentrum Ruhr Lab. Studenten von französischen Animationsschulen und Artists aus Deutschland arbeiteten in Teams an Animationen und erlernten die Grundlagen des Projektionsmappings. Das Ergebnis wurde Öffentlichkeitswirksam auf der Fassade des Brecklinghaus Lederwarengeschäfts in der Essener City am Pferdemarkt in Kooperation mit dem Essen Light Festival gezeigt.

Nach dem obligatorischen Kennenlernabend in unserem Lab, mit Videopräse, Bierchen und Pizza begann am nächsten Tag der Workshop mit der Begehung des Spielortes. Tamas erklärte unseren angereisten Artists aus Dortmund, München und Essen, sowie Roubaix und Somme Amines Frankreich wie man sich an das Thema herantastet. Für ein Projektions- oder Videomapping wird ein zweidimensionales Bildsignal derart verzerrt, das es auf der dreidimensionalen Fassade aus einem bestimmten Blickwinkel aussieht, als wäre die Fassade eine ebene Fläche. Mit Hilfe dieser Technik lassen sich 3D Illusionen erschaffen, die die Struktur der Fassade auflösen und viel Spielraum für Atemberaubende Effekte geben.

Zuerst galt es, den sogenannten point of view (POV), also die Perspektive des Zuschauers auf das Gebäude, zu bestimmen. Das geht ganz einfach: Man stellt sich an den Ort, wo man die meisten Zuschauer erwartet, und misst die Entfernungen zuden Kanten des Gebäudes, sowie die Maße der Fassade akribisch ab. In diesem Fall kam ein Distometer zum Einsatz, das mit Hilfe eines Laserstrahls die Entfernung zwischen dem Gerät und der Fläche, auf die der Laserstrahl trifft errechnet. Danach bestimmt man, wo der Projektor aufgestellt wird. Dessen Entfernung zu den relevanten Punkten des Gebäudes wird ebenfalls ausgemessen. Mit Hilfe von Berechnungstabellen kann nun der Brechungswinkel für die zu benutzende Linse des Projektors ausgerechnet werden, sowie die Helligkeit, die der Projektor leisten muss, um das Gebäude komplett auszuleuchten.

In unserem Workshop wurde mit sogenanntem prerendered Videomapping gearbeitet. Dies bedeutet, das die Animationen vorab berechnet werden und als Videodatei über eine spezielle Projektionssoftware abgespielt werden. Der Gegensatz hierzu ist das live-rendering, bei dem die Animationen während des Abspielens in Echtzeit berechnet werden. Um eine möglichst genaue Vorschau der Animation auf der Fassade und der Verzerrung an den verschiedenen Kanten der Fassade zu erhalten, wird ein 3D Modell des zu bespielenden Gebäudes erstellt. Dieses kann dann auch zur Anfertigung von 3D Animationen genutzt werden, die die Architektur des Gebäudes Wir wären nicht das 3D Druckzentrum Ruhr, wenn wir nicht sofort eine Miniatur der Fassade ausgedruckt hätten, um die Previews unserer angehenden Mappingspezialisten direkt an einem echten Objekt zu checken.

Tamas zeigte anschaulich die vielen Wege, dieses Modell zu erlangen. Mit Hilfe der klassischen Photogrammetrie wurde das Gebäude „gescannt“. Hierzu macht man viele Fotos aus verschiedenen Blickwinkeln, die in einem 3D Programm zu einem 3D-Modell zusammengefügt werden. Aber auch aus Satellitendaten konnte Tamas bereits arbeitsfähige Informationen ziehen. Es kann auch von Hand in einem CAD Programm modeliert werden, in dem man die verschiedenen Maße aus dem Distometer in eine Tabelle einträgt und dann akribisch in das Modell einfügt. Die Pläne des Architekten, der das Gebäude erbaute, waren uns auch sehr hilfreich bei der Erstellung des Modells.

Während das 3D Modell ausgiebig getestet wurde, wurde auch unser Labor zu einer interaktiven Videoinstallation transformiert, die Artist Martin Meyr aus München mit allen möglichen Gegenständen, die bei uns so rumstehen zusammen baute. Er beschäftigt sich in seiner freien Arbeit mit in Echtzeit berechneten Animationen und interaktiven Videomapping Installationen, die mit Hilfe von Sensoren auf die Bewegung der Zuschauer reagieren, die sich in der Installation aufhalten.

Wie gut, dass man unser Labor im Atelierhaus Schützenbahn rund um die Uhr nutzen kann, 8 Stunden am Tag reichten nicht aus, um die vielen Aufgaben und Techniken zu erklären und umzusetzen. Bis spät in die Nacht wurde gearbeitet, Koffein und Brainfood verbrannt und insgesamt über 120 Stunden flossen in die Erstellung des Endergebnisses.

Um den Content zu kreieren, können verschiedenste Techniken angewandt werden: von Frame by Frame 2D- über 3D Animation, Liveaction mit Kamera gefilmt, bis hin zur Erstellung von Animationen über Algorithmen und automatischen Bildverarbeitungsprozessen sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Die Ideen unserer Teilnehmer waren dementsprechend eine Explosion von allen möglichen und unmöglichen Dingen, die nun in einen zusammenhängenden Ablauf gebracht werden mussten.

Nun begann also der Workshop von einem Crashkurs in technischen Grundlagen zu einem Lehrgang in Dramaturgie, Storytelling und Storyboarding überzugehen. Teamwork und Organisation waren jetzt die gefragten Talente. Da wir sehr verschiedene Teilnehmer mit Hintergrund in Filmproduktion, Grafikdesign, Visual Art und Performance in unseren Workshop eingeladen hatten, war es für Tamas eine schwierige Aufgabe, allen Teilnehmern gerecht zu werden und ein großes Ganzes aus den vielen Einflüssen zu schmieden.


Die letzten Tage standen im Zeichen der Produktion des fertigen Reels, alle Animationen mussten termingerecht abgeliefert, gerendert und zusammen montiert werden. Sounddesigner Aleksi Aubry, der zur zweiten Hälfte des Workshops aus Frankreich angereist war, begann sofort mit der Erstellung einer passenden Geräuschkulisse, um die Animationen zu untermalen. Ein Workshop in Sounddesign war leider in den 10 Tagen nicht möglich, so dass er in Gesprächen mit den Artists herausfinden musste, was sie sich für „ihren“ Part wünschten. In einer Neuauflage des Workshops wollen wir aber gern einen interdisziplinären Sound und Mapping Workshop ausarbeiten, so dass Sounddesigner und Animationskünstler im Dialog an Ihren Kreationen arbeiten. Aleksi machte aber einen spitzenjob, so dass alle zufrieden waren!

Nun konnte mit dem Aufbau der Technik begonnen werden. Der Projektor wurde vor dem Gebäude positioniert und mit Hilfe einschlägiger Mappingsoftware das Bild auf die Fassade angepasst.

Die Generalprobe war ein Riesenspass, alle waren begeistert, die Früchte ihrer Arbeit zum ersten Mal live und in Farbe auf der Hauswand zu sehen. Am Premierenabend bauten wir Couchen, Sessel und einen Pavillion auf der Aussichtsplattform auf und feierten zusammen den gelungenen Abschluss des ersten Teils unseres internationalen Workshops.

Durch die Kooperation mit dem Essen Light Festival konnten im Laufe der folgenden Woche noch 50.000 Besucher die Ergebnisse bewundern.

Doch hier war noch lange nicht Schluss: der zweite Teil des Workshops führte unsere Artists nach Lille in Frankreich, wo im Rahmen der Fête de l’anim eine weitere Runde gedreht wurde. Diesmal auf der Fassade der Oper!

Aus organisatorischen Gründen konnte leider nur Spooky Mental, unser local Videohero von der ursprünglichen Truppe anreisen, dafür haben wir aber schnell adäquaten Ersatz gefunden:

Wahlholländerin Heidi Hörsturz gesellte sich zu Vivienne, Yochee und Simon, die innerhalb von 48 Stunden nach kurzfristigen Absagen dabei waren. Das nenne ich Einsatz!

Der Workshop in Frankreich begann am 27. April und war von Montag bis Donnerstag angesetzt, da am Freitag die große Eröffnung der Fête de l’anim und danach der Animationsmarathon stattfinden sollten. Statt einer intimen Gruppe von 10 Personen waren hier gleich 50 Studenten und Artists aus aller Herren Länder angereist, um zusammen ein Programm für die Eröffnung in nur 4 Tagen zusammenzustellen.

Geleitet wurde der Workshop wieder von Tamas Zador, ausserdem von Smay Barras und Ludovic Burczykowski.

Wie bei uns zeichnete auch wieder Aleksi Aubry-Carlson für die Soundkulisse verantwortlich. Unsere Teilnehmer wurden mit den anderen angereisten Künstlern bunt durcheinander gemischt, was bestimmt für viele spontane Bekanntschaften gesorgt hat, die man sonst vielleicht nicht gemacht hätte.

Zum Workshop habe ich es nicht geschafft, aber zur großen Eröffnung mit Mapping auf der Oper habe ich es mir nicht nehmen lassen, zusammen mit Künstlerkollegen Simon nach Lille zu fahren. Zur Soirée an der Oper kamen wie immer sehr viele Besucher und dazu jede Menge Laufpublikum, dass sich das Spektakel nicht entgehen lassen wollte. Auf der Fassade der Oper wurde der Countdown runtergezählt. Die perfekte Kulisse für den Abschluss dieses großartigen Projektes!

Hier ist das Video der Aufführung in voller Länge:

Nach mehrfachem Anschauen des Reels, zog es uns ins l’hybride, um unsere Ausweise abzuholen. Zusammen mit unseren Freunden aus Frankreich, Holland und Deutschland verbrachten wir das Wochenende mit guten Gesprächen bei den verschiedenen Veranstaltungen des Festivals. Graphic Battle, eins meiner Lieblingsevents, macht einfach immer Spass. Im Maison Folie Moulins konnte man sich die Abschlussfilme der Abgänger der europäischen und internationalen Film- und Animationsschulen ansehen, ausserdem die Werkschau eines Animationsstudios, das Storyboards, Charakterstudien und Trickfilmsetpieces aus zehn Jahren Filmproduktion ausstellte.

Wer sich für Filmkunst, Animation und alles damit verwandte interessiert, sollte unbedingt einmal zum Festival reisen, für uns alle war es ein Superwochenende und bestimmt nicht die letzte Reise nach Lille!